Sie beobachten uns. Sie haben mir einen Chip implantiert. Nicht nur mir, uns allen. Ich gehöre zur Paketabteilung. Man nennt uns Läufer. Wir haben die Aufgabe, Pakete von einem Ort zu einem anderen zu bringen.
Ich habe lange gebraucht, um es zu kapieren. Aber jetzt macht alles Sinn. Also, eigentlich eben nicht. Im Grunde ist alles Sinnlos. Das ist ja der Punkt.
Wie Baut man ein Gefängnis, das nicht als solches wahrgenommen wird?
Zuerst war die Krise. Unsere Nahrungsmittel wurden knapp. Dann kam der Krieg, so sagt man. Und in diese Zeit sind wir hineingeboren. Draußen lauert der Tod, so sagt man es uns. Hier drin, wird für uns gesorgt. Wir bekommen täglich unseren rationierten Brei und so viel frisches Wasser, wie wir benötigen. Den Alten merkt man den Hass gegenüber dem Orden an. Doch wir anderen kennen nichts anderes. Doch wenn wir fragen, traut sich keiner etwas zu sagen. Der Orden kontrolliert uns, treibt uns an. Er führt uns, wenn wir unser Soll erreicht haben, in die Stadt. Dort soll man alles bekommen und muss nicht wie hier, für alles arbeiten. Ich freue mich darauf, alt genug zu sein, genug gearbeitet zu haben, um in die Stadt zu kommen.
Doch dann habe ich gesehen, was ich nicht hätte sehen sollen. Ich hätte nicht dort sein dürfen. Es war mein Fehler. Ich habe die Adresse auf dem Paket falsch gelesen.
„Nicht rumstehen und Selbstgespräche führen. Lauf!“
Ich wage nicht mich umzublicken. Fast hätten sie mich erwischt. Ich kann alles verbergen, den Stift und das Papier. Der Orden glaubt sowieso, dass sie die einzigen sind die lesen und schreiben können. Aber die Alten haben einigen von uns ihr altes Wissen beigebracht.
„Ja. Ich geh gleich weiter.“, sage ich so ruhig wie es mir möglich ist.
Bis jetzt haben sie die Daten aus meinem Chip noch nicht überprüft. Aber wenn sie sehen, wo ich war, wird es bestimmt Ärger geben. Ich habe gesehen, wie sie die Alten, die in die Stadt gehen sollten, einfach so umgebracht haben. Es ist alles eine Lüge.
Dann habe ich das Paket aufgemacht. Darin waren Chips, hunderte davon, getränkt in einer roten Flüssigkeit. Es war Blut.
Nun versuch ich auszubrechen. Die Grenzen dieses vermeintlich sicheren Ort hinter mir zu lassen. Doch wenn mir das nicht gelingt, dann muss der Nächste der dies liest, einen Ausweg finden.
Viel Glück – uns allen.

*

Drei Tage später hat eine Sicherheitsdrohne ein Gespräch aufgezeichnet:

Peter289: „He schau mal was ich gefunden habe.“

Klaus97: „En Brief. Kannscht den du lese?“

Peter289: „Nein, du etwa?“

Klaus97: „Spinnschdt du!
Wasn denksch du dohr, dass igg zum Orden gehörr. Denn würd ich hier sichgglich nicht diese verfluchtä Chips subbar machä.
Werfe in weg. Sonsch bekomm mir no Ärger.“

Peter289: „Schon erledigt.“

Die Aufzeichnung wurde archiviert und als unwichtig klassifiziert. Die Daten werden innerhalb der nächsten 48 Stunden vom Hauptrechner zur Löschung freigegeben.

Dystopie, Gefängnis, Kürzestgeschichte, Lesen, Paket, Schreiben, Überwachung

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